Die Lage ist ernst. Eilig versammeln sich die Mitglieder des UN-Sicherheitsrates zu einer Sondersitzung. Eine der Veto-Mächte trägt sich mit Kriegsabsichten, die anderen wollen den militärischen Konflikt in letzter Sekunde verhindern.
Zum Glück ist das alles nur eine Simulation. Sie heißt POL&IS – das steht für Politik und internationale Sicherheit – und soll den Teilnehmern die Zusammenhänge der Weltpolitik anschaulich vermitteln.Der UN-Sicherheitsrat tagt somit nicht in New York, sondern in den Räumen der Wetzlarer Goetheschule. Und bei den Regierungschefs, Staats- und Wirtschaftsministern handelt es sich um Goetheschüler aus den Leistungskursen „Politik und Wirtschaft" der Jahrgangsstufe 13. Vom 20. Bis zum 22. Januar – jeweils von 9 bis 17 Uhr – nahmen sie in der vergangenen Woche an dem interaktiven Planspiel teil und erhielten so praktische Einblicke in politische Zusammenhänge, die der Unterricht sonst nur theoretisch vermitteln kann.
POL&IS wurde in den 1980er Jahren am Seminar für Politikwissenschaften der Universität Köln in Zusammenarbeit mit der Universität Erlangen entwickelt. 1989 übergaben die Schöpfer des Planspiels die Rechte an die Bundeswehr, deren Jugendoffiziere die Simulation seit dem hauptsächlich mit Schülern der Sekundarstufe II veranstalten.
Dabei geht es bei POL&IS keineswegs um das Durchspielen militärischer Konflikte und Kampfeinsätze. Teilnehmer sollen sich in einer simulierten Welt ausprobieren und Erfahrungen sammeln im Umgang mit Konflikten und bei der Suche nach Kompromissen, so formuliert die Bundeswehr selbst die Absichten hinter dem Seminarprojekt. Im Verlauf eines „PO&LIS-Jahres" geht es darum, zunächst in Kleingruppen eine gemeinsame politische Linie zu finden, oberstes Ziel ist ein stabiler Wirtschaftskreislauf, um den Bedarf der Bevölkerung zu sichern. Voraussetzung hierfür ist unter anderem die Zusammenarbeit rohstoffarmer- und reicher Länder. Zu diesem Zweck gibt es Beratungsphasen der Wirtschaftsminister, internationale Handelskonferenzen, eine Börse und die Versammlungen der UN.
Welche Folgen politisches Handeln haben kann, lernten die Schüler bald: Die Vertreter der Region „Nordamerika" etwa wirtschafteten so schlecht, dass das Volk Hunger leiden musste – Konsequenz eines völlig überzogenen Militärbudgets.
Auch aktuelle Themen finden dabei ihren Platz. So begannen die Jugendoffiziere Dennis Knöll, Andreas Mertens und Sebastian Leitsch den Tag mit den Schülern, in dem sie gemeinsam die „Tagesschau in 100 Sekunden" ansahen. Themen wie die Syrien-Konferenz oder die Krise in der Ukraine diskutierten Spielleiter und Teilnehmer anschließend.
Hildegard Schnelling, Lehrerin für Politik und Wirtschaft an der Goetheschule, zeigt sich beeindruckt sowohl vom Nutzen des Spiels als auch von der Leistung der Schüler. „Die Simulation ist eine perfekte Ergänzung zum aktuellen Halbjahresthema ‚Internationale Beziehungen'" sagt sie. Das Spiel helfe sogar bei der Vorbereitung aufs anstehende Abitur. Dabei sei das Auftreten der Teilnehmer völlig unabhängig von den bisherigen Schulnoten.
„Der Lerneffekt ist enorm", erklärt Schnelling weiter. Jeder Teilnehmer müsse sich in seine Rolle hineindenken und in dieser auch vor allen Teilnehmern eine Rede entsprechend allen formalen Vorgaben halten: „Keiner kann sich hinter der Gruppe verstecken."
Als krönenden Abschluss der Simulation bezeichnet Schnelling die Sitzung des UN-Sicherheitsrates. Dies komme bei POL&IS höchst selten vor, erklärt sie und ergänzt beeindruckt: „Die Schüler haben die Sitzung ganz selbständig durchgeführt, die Spielleiter waren staunende Zuschauer der Kommunikationsfähigkeit der Gruppe." Und den Aggressor brachten die Teilnehmer unter der besonnenen Moderation des UN-Generalsekretärs, des Weltbankchefs und des Vertreters der Nicht-Regierungs-Organisationen schließlich doch zum Einlenken.

BU
1: Den Zusammenhang zwischen internationaler Sicherheit und wirtschaftlicher Kooperation entdecken hier (von links) Isabelle Gath, Michel Borgmeier und Edyta Zablocka

2: Handel an der POL&IS-Börse: Nicole Fliegel, Janina Wagner und Patrick Hanke (von links) tauschen Industriegüter, Müll und POL&IS-Dollar. Über allem wacht Weltbank-Chef Baran Karaaslan.

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