Theatergespräch mit Frau Dr. Dagmar Borrman, Dramaturgin des Wiesbadener Staats­theaters: „Ein Gespräch auf hohem Niveau"!

Die Jahrgangsstufen 12 und 13 hatten Friedrich Schillers Trauerspiel als Pflichtlektüre für das Landesabitur 2009 bzw. 2010 kennengelernt. Für diese Schülerinnen und Schüler ging es also  auch um die Vertiefung des Gelernten durch die Auseinandersetzung mit einer aktuellen Inszenierung des Schulstoffs.

Eine intensive Gelgenheit bot dazu neben dem Aufführungsbesuch das Theatergespräch mit der für die Inszenierung verantwortlichen Chefdramaturgin: Frau Dr. Dagmar Borrmann war auf Einladung von Frau Dr. Gertraud Wagner am Dienstag, 16. Dezember 2008, zu Gast in der Goetheschule. Interessiert an einem lebhaften Austausch mit den jungen Zuschauern war sie bereitwillig der Einladung gefolgt und stand zwei Stunden an diesem Nachmittag einem sehr konzentrierten Schülerplenum in der Aula der Goetheschule Rede und Antwort. Von grundsätzlichen Fragen zur Konzeption der Wiesbadener Aufführung über sehr präzise Detailbeobachtungen zur aktuellen Inszenierung bis hin zum Themenkomplex Theater allgmein reichten die vielfältigen Beiträge der Schülerinnen und Schüler.

So erfuhren diese von der Dramaturgin beispielsweise etwas über die Schwierigkeit, die Intention eines Klassikers zu erfassen. Schließlich gehe es im Theater auch darum, einen alten Text mit heutigen Erfahrungen, mit dem, was uns heute in der Welt bewegt, zu übersetzen, also letztlich Texte, deren Kontexte wir heute nicht mehr teilen können, zu verlebendigen.  Auf die Frage nach dem Idealismus Schillers machte die Dramaturgin deutlich, dass Schillers Trauerspiel  auch von dem Spielraum handle, den politische Macht lasse. So gehe es in der Inszenierung um Freiheit und Grenzen der Entscheidungsmöglichkeit, um zwei Königinnen im Räderwerk der Macht, um Elisabeth und Maria, die im Spannungsverhältnis zwischen individueller Chance und totalem Gebundensein an politische Zwänge stehen. 

Warum wird Marias Kerker als bedrängend enges Verließ dargestellt? Warum trägt Maria in der Hinrichtungsszene ein rotes Kleid und nicht ein weißes Kleid, wie von Schiller vorgesehen?  Warum wird Paulet parallel zu einem wichtigen politischen Dialog Äpfel schälend und essend im Hinter­grund gezeigt? Warum fungiert die Amme zugleich als Priester? Das waren einige der Detailfragen, die Frau Borrman sehr anschaulich erläuterte. Weitere Fragen, insbesondere die zur Gestaltung der Personenkonstellation in der wichtigen Szene Elisabeths mit ihren Beratern, zeigten der Dramaturgin, dass die Konzeption der Inszenierung in der aufmerksamen Rezeption der Schüler aufgegangen war.

Gerne gab Frau Dr. Borrmann auch Auskunft über den persönlichen Werdegang beim Theater. Wie man so umfangreiche Rollen auswendig lernt, war danach für die Schüler genauso interessant wie die Auseinandersetzung mit den Impulsen, die das Theater heute in die Gesellschaft trägt.

Und die anwesenden Kolleginnen und Kollegen interessierte nicht zuletzt auch die Orientierung des Spielplans am Literaturkanon für das hessische Landesabitur, was Frau Dr. Borrmann auch als wichtiges Auswahlkriterium unterstrich.  

Alles in allem ein sehr anregendes Theatergespräch auf hohem Niveau, wie Frau Borrmann ihren  Gesprächspartnern zum Abschluss bescheinigte. Dass sie nicht zum letzten Mal an der Goetheschule gewesen sein dürfte, darauf lässt die gute Resonanz auf beiden Seiten des Gesprächs hoffen.

Und im Jahr des 250. Geburtstages des Klassikers bleibt der Theaterdichter auf der Agenda - im Theater wie im realen Leben des Deutschunterrichts.