Hohen Besuch hatte diesen Montag die Goetheschule: Der französische Generalkonsul Dr. Henri Reynaud hatte den Weg aus Frankfurt gefunden, um das Gespräch mit Französisch lernenden Schülerinnen und Schülern zu suchen. „Nehmen Sie mich ins Kreuzfeuer“, wurden die Anwesenden aufgefordert: Er wollte jede ihm gestellte Frage zu deutsch-französischen Angelegenheiten und zu seiner Person beantworten.
Der Generalkonsul schilderte seine Tätigkeit und fasste seinen Werdegang zusammen: Deutschunterricht in der Schule, Studium – mit Promotion in Germanistik - in Deutschland und an der namhaften Ecole Normale d'Administration,  Eintritt ins Außenministerium, um die Diplomatenlaufbahn einzuschlagen. Durch Neigung und schließlich auch Familie sei er mit der Sprache und der Kultur Deutschlands verbunden und sehr gerne in Deutschland tätig. Die ca. 50 jungen Leute aus den insgesamt drei Leistungskursen der Jahrgangsstufen 12 und 13 beglückwünschte er nachdrücklich zu ihrer Sprachenwahl und ermutigte zum Weitermachen: Das Nachbarland sei kulturell sowie im wirtschaftlichen Bereich sehr interessant und das Beherrschen seiner Sprache öffne auch hinsichtlich beruflicher Tätigkeiten viele Möglichkeiten. Deutsche, die in Frankreich Arbeit gefunden hätten, seien sozial bestens integriert und aufgrund ihrer Leistung begehrt. Umgekehrt könnte in Frankreich manche Stelle nicht besetzt werden, weil Kandidaten mit den nötigen Deutschkenntnissen fehlten. Auf schulischer Ebene wünschte er sich eine Zunahme der „Abi-Bac“-Abschlüsse , also der deutsch-französischen Hochschulreife, und als deren Grundlage auch bilingualen Unterricht schon ab der Sekundarstufe I. Erwähnt werden sollte an dieser Stelle die Unterstützung des Französischunterrichts an deutschen Schulen durch die französische Botschaft dank Initiativen wie z.B. Cinéfête und Prix des Lycéens allemands, bei denen jeweils eine Auswahl von französischen Filmen und Jugendbüchern mit aufwändigen pädagogischen Dossiers bereitgestellt werden. Im Gespräch mit den Schülerinnen und Schülern zeichnete Monsieur Reynaud die deutsch-französische Geschichte seit dem Schuman-Plan – 60. Jahrestag am 9. Mai – nach und schilderte einige deutsch-französische Unterschiede – „Wir sind Nachbarn und zum Teil doch so verschieden“ - aus seiner Sicht.
Beispielsweise seien deutsche Schüler viel offener und spontaner als ihre französischen Altersgenossen, seien die dortigen Schulen doch deutlich mehr auf das Bewältigen von Lernstoff ausgerichtet, was die Schüler in eine rezeptive Rolle zwinge: „Sie schreiben mit, was der Lehrer sagt.“ In Deutschland werde viel Wert auf eigene Initiative sowie ein positives und angenehmes Lernklima gelegt.
Die wesentlichen Mentalitäts-Unterschiede gründen seiner Ansicht nach in der jeweiligen Geschichte, die auf unterschiedliche Weise zur nationalen Identität geführt habe. In Frankreich sei im Vergleich zu Deutschland recht früh und leicht ein zentral geführter Nationalstaat entstanden, was ein einheitliches Nationalgefühl gefördert hätte. In diesem Zusammenhang betonte der Generalkonsul, dass die Integration unter anderem auch von Muslimen in Frankreich insgesamt sehr gut funktioniere, auch wenn im Zusammenhang mit den Unruhen in den Vorstädten ein anderes Bild entstanden sei. Im Vergleich zwischen Deutschland und Frankreich habe weiterhin die unterschiedliche Bevölkerungsdichte - 250 gegenüber 100 Einwohner/km2 - weit reichende Auswirkungen. Darauf lasse sich beispielsweise der unterschiedliche Stellenwert von Sportarten wie Fußball und Rugby zurückführen. Wichtiger: die vermeintlich fehlende Disziplin der Franzosen im Alltag liege letztlich an einer als geringer empfundenen Notwendigkeit, sein Verhalten an räumliche Enge anzupassen. Die Frage, wie man die deutsch-französischen Beziehungen noch verbessern könne, gefiel Monsieur Reynaud besonders gut, da sie die vorhandenen guten Beziehungen schon unterstelle. Er relativierte das Verhältnis zwischen Adenauer und de Gaulle, die den Grundstein der deutsch-französischen Freundschaft legten, um die erreichte Kooperation zwischen Kanzlerin Angela Merkel und Staatspräsident Nicolas Sarkozy zu betonen, die – nur als Beispiel – die letzten Finanzbeschlüsse („Griechenlandkrise“) gemeinsam in Gang gebracht hätten und das Herz Europas ausmachten. „Sie streiten sich zwar über alles, aber sie erreichen in allen wesentlichen Fragen eine Einigung, welche die Grundlage für eine europäische Lösung bildet." Die Zeit von eineinhalb Stunden war viel zu kurz, der Generalkonsul lobte anschließend die Qualität der Fragen, um dann noch in den Genuss einer Besonderheit der Goetheschule zu kommen: die Fächervielfalt und der Umstand, dass musische Fächer als Leistungskurs unterrichtet werden. Svea Schenkel ließ – wunderbar von Klarinette, Cello und Klavier begleitet – eine Arie von Händel erklingen.