Zivilisten, die bewaffnet und uniformiert auf die Straße gehen, um die Demokratie zu schützen? Das klingt heute kaum vorstellbar. Dass es jedoch eine Zeit gab, zu der solche Maßnahmen durchaus notwendig waren, können Schüler zurzeit an der Wetzlarer Goetheschule lernen. Gelegenheit bietet die Ausstellung über das „Reichsbanner Schwarz Rot Gold. Bund Aktiver Demokraten e.V.“, die noch bis zum 19. März in der Pausenhalle der Schule zu besichtigen ist.

Der Name „Reichsbanner Schwarz Rot Gold“ klingt für heutige Ohren seltsam martialisch und durchaus gewöhnungsbedürftig. Tatsächlich handelte es sich bei der 1924 gegründeten Vereinigung jedoch um eine Organisation zum Schutz der jungen und gefährdeten Weimarer Republik. Ziel war es, die neue Staatsform gegen radikale Gruppierungen, die in der Frühphase der Weimarer Republik auch vor politischen Morden nicht zurückschreckten, zu verteidigen. Zu den zeitweise bis zu einer Million Mitgliedern gehörten vor allem Sozialdemokraten und Menschen, die der Deutschen Demokratischen Partei (DDP) nahestanden, darunter auch der spätere SPD-Vorsitzende Kurt Schumacher oder der erste Bundespräsident der BRD, Theodor Heuss. Die während der Zeit des Nationalsozialismus verbotene Organisation gründete sich 1953 wieder und verfolgt heute das Ziel durch Bildungsangebote und Seminare vor allem jungen Menschen den Wert staatsbürgerlicher Rechte und Pflichten zu vergegenwärtigen.

Aus Anlass der Ausstellungseröffnung war der heutige Vorsitzende des Bundes aktiver Demokraten, Hans Bonkas (Jahrgang 1922), an die Goetheschule gekommen. In der Aula des Oberstufengymnasiums erzählte er rund 200 Schülern von seinen Erfahrungen und Erlebnissen in der Weimarer Republik und dem Übergang zum Nationalsozialismus. Auf dem Podium unterstützte ihn die Wetzlarer Stadtarchivarin Irene Jung, die den Schülern über die Geschichte und die Bedeutung des Reichsbanners in Wetzlar berichtete. Jung hatte die Ausstellung über das Reichsbanner durch entsprechende Tafeln mit Lokalbezug ergänzt. Zustande gekommen war die Podiumsdiskussion aufgrund der Initiative von Ulrike Rau, Geschichtslehrerin an der Goetheschule, die auch die Ausstellung über das Reichbanner nach Wetzlar geholt hatte.

In der von Rau moderierten Gesprächsrunde in der Schulaula schilderte Bonkas den Schülern zunächst die Entstehungsgeschichte der Weimarer Republik, damit den jungen Erwachsenen die Notwendigkeit einer paramilitärischen Organisation zum Schutz der Republik verständlich wurde. Der 88-Jährige berichtete von Saalschlachten und Prügeleien mit Hitlerjugend und Jungkommunisten. Als besonders spannend empfanden die Zuhörer Bonkas´ Schilderungen über die Endphase der Republik und die Zeit des Übergangs zum Nationalsozialismus, als plötzlich Lehrer einfach verschwanden und überall Fahnen mit Hakenkreuzen hingen. Stadtarchivarin Jung wies darauf in, dass sich noch im Jahre 1933 – kurz vor dem Verbot – 2000 Reichsbanner-Mitglieder auf dem Wetzlarer Domplatz versammelten, um die Republik zu verteidigen.

Die Ausstellung „Reichsbanner Schwarz Rot Gold. Bund Aktiver Demokraten e.V.“ ist noch bis Freitag, 19. März, in der Pausenhalle der Goetheschule zu besichtigen. Interessierte sollten das Sekretariat der Goetheschule, Frankfurter Straße 72, kontaktieren (Tel. 06441 / 97820).