16 Tage, ein abgelegenes Landschulheim irgendwo im Harz und nahezu 100 Menschen, die ich noch nie zuvor gesehen habe. So sah der Sommer des letzten Jahres für mich aus. Ein Ort an dem wahrscheinlich einige der intelligentesten Menschen meines Alters zusammenkommen, um sich in einem Kursprogramm mit aktuellen Themen auseinanderzusetzen. Ein wenig Muffensausen bekommt man da schon und ich lüge nicht, wenn ich sage, dass ich die letzten Nächte vor meiner Abreise durchgehend von den Fragen geplagt wurde, ob ich gut genug vorbereitet bin, ich überhaupt gut genug für die Akademie bin oder ob alle Menschen, die ich dort treffen sollte, die größten Streber sind… Doch diese Zweifel haben sich nach meiner Ankunft in kürzester Zeit in Luft aufgelöst und den Beginn einer wundervollen Erfahrung gekennzeichnet, die ich niemals hätte missen wollen.

Was ist die Deutsche Schülerakademie?

Die Deutsche Schülerakademie ist ein außerschulisches Programm des Talentförderzentrums Bildung und Begabung und wird von verschiedenen Stiftungen unter der Schirmherrschaft des Bundespräsidenten finanziert. Im Rahmen dieses Programms finden sich jedes Jahr für etwas mehr als zwei Wochen an mehreren Standorten (und seit Corona auch in digitalaus ganz Deutschland zusammen. Dabei gilt, dass in der Regel nur eine Person pro Schule teilnehmen kann und sich die teilnehmenden Schülerinnen und Schüler somit nicht kennen. Außerdem können Teilnehmende nur einmal in ihrer Schulzeit an einer solchen Schülerakademie teilnehmen.

An den jeweiligen Akademiestandorten finden jeweils sechs Kurse zu den unterschiedlichsten Themen statt, in welche sich die Schüler zuvor einwählen können. Diese Kurse reichten an meinem Akademiestandort von der Simulation und Auswertung einer Pandemie über die Entwicklung von nachhaltigen Start-up-Unternehmen bis zur Diskussion über die Stellung von Frauen in der Wissenschaft. Diese Themen werden in zweimal täglich stattfindenden Kursschienen bearbeitet, in denen im zweiten Teil der Akademie auch eine Dokumentation der jeweiligen Kurse und der gesamten Akademie angefertigt wird. Zwischen den Kursschienen bleibt aber auch viel Raum für weitere Aktivitäten wie kursübergreifende Musik- und von den Teilnehmern selbst geleitete Freizeitangebote.

Die Deutsche Schülerakademie am Standort Grovesmühle

In Verbindung mit meiner Kurswahl, hatte ich mich für die Schülerakademie im Landschulheim Grovesmühle im Nordharz (Sachsen-Anhalt), als Ausrichtungsort meines Kurses, entschieden. Das Landschulheim liegt etwas abgelegen von den umgebenden Städten und wird außerhalb der Ferienzeiten des Bundeslandes als Internat genutzt. Somit war das Gelände für den Aufenthalt von knapp 100 Schüler: innen und Kursleitenden perfekt ausgestattet. Untergebracht wurden alle Teilnehmenden in den Internatszimmern und neben den obligatorischen Schulgebäuden standen uns auch zahlreiche Sportstätten, Schülercafés und Teeküchen als weitere Aufenthaltsorte zur Verfügung.

Als „Hotspots“, an denen man immer jemanden antreffen konnte, stellten sich nach wenigen Tagen der Löschteich (der inoffiziell mehr zum Schwimmen als zum Löschen genutzt wurde) und das „Heizhaus“ mit kompletter Bandausstattung heraus.

Mein Kurs und die Arbeit im Kurs

Bei meiner Kurswahl hatte ich mich unter anderem für den Kurs „Mikroskopie – Leben mit Licht erforschen“ beworben, in dem ich einen Platz erhalten habe. Insbesondere der biologische Schwerpunkt in diesem Kurs hat mich (nicht nur aufgrund meines LKs Biologie) fasziniert. Inhaltlich befasste sich der Kurs mit den Grundlagen von Zell- und Mikrobiologie sowie der Funktionsweise und dem Arbeiten mit Fluoreszenzmikroskopen. Dabei wurden wir von unseren Kursleitenden unterstützt, die jeweils beide beruflich in Laboren in diesem Fachbereich tätig sind.

Der Kursaufbau verhielt sich in den meisten Kursen der Schülerakademie ähnlich. In Anlehnung an eine von den Teilnehmenden vorbereitete Vortragsreihe erarbeiteten wir uns innerhalb der ersten Hälfte der Schülerakademie die zellbiologischen Grundlagen, die wir im weiteren Kursverlauf unter den Fluoreszenzmikroskopen untersuchen würden. Dabei hatte jeder Teilnehmende einzeln im Voraus einen 15- bis 20-minütigen Vortrag zu einem zugewiesenen Thema vorbereitet. Während mein Vortrag über Epithelgewebe im Körper eher den mikrobiologischen Teil des Kurses abdeckte, reichte das Spektrum der Vorträge bis zur digitalen Bildbearbeitung im Zusammenhang mit Bildern aus dem Fluoreszenzmikroskop.

Als praktische Anwendung begannen wir schon nach wenigen Tagen die von den Kursleitenden mitgebrachten Fluoreszenzmikroskope aufzubauen und mikroskopierten erste Präparate. Neben bereits vorbereiteten Präparaten fertigten wir aber auch eigene Präparate mit den Organismen aus umliegenden Gewässern an, um diese zu untersuchen, sodass später von den Algen aus dem Löschteich bis zum Wasserfloh alles mal unter der Linse lag. Dieser praktische Teil hat mir persönlich besonders gut gefallen.

Im zweiten Teil des Kurses stand das Schreiben der Dokumentation im Vordergrund. Die Dokumentation wird an jeder Schülerakademie angefertigt und ist ein Pflichtbestandteil aller Kurse. Den größten Anteil der Dokumentation machen die Berichte der Teilnehmer aus den jeweiligen Kursen aus. Dabei werden, meist in Paaren, die Kursinhalte in Form einer wissenschaftlichen Ausarbeitung aufbereitet, sodass jeder Kurs in etwa 20 bis 25 Seiten zur Dokumentation beiträgt. Als offizielles Dokument, das auch veröffentlich wird, gelten für die Teilnehmenden hohe Standards in Bezug auf Formalia, inhaltliche Korrektheit aber auch Schreibstil, sodass viele Texte meist mehrere Korrekturzyklen durchlaufen mussten bevor sie für die Dokumentation zugelassen worden.

Den kleineren Teil der Dokumentation machen Erfahrungsberichte der Teilnehmenden aus, in denen – meist angelehnt an die kursübergreifenden Aktivitäten – Schüler: innen von dem Akademieleben außerhalb der Kurse erzählen.

Kursübergreifende Angebote

Natürlich besteht die Schülerakademie nicht nur aus Kursen und wissenschaftlichem Arbeiten wie es auf den ersten Blick von außen wirkt. Die Zeit zwischen den Kursen ist das eigentliche Herz der Schülerakademien, denn dort finden „kursübergreifende Aktivitäten“ (oder kurz: KüAs) statt. Diese sind in keiner Art und Weise vorgegeben, sondern sind komplett abhängig von den Teilnehmenden. Das KüA-Prinzip ist, dass Teilnehmende, die irgendetwas gerne machen (man muss es noch nicht mal gut können) eine solche Aktivität anleiten, zu der sich dann andere mit gleichen Interessen mit der- oder demjenigen zusammenfinden. Das Spektrum dieser KüAs reichte vom Erlernen neuer Sprachen über das Modellieren von 3D-Modellen bis zur täglichen Sterneschau-KüA in der Nacht. Somit habe ich in etwas mehr als zwei Wochen die Grundlagen der norwegischen Sprache, die Tanzschritte vom Jive und das Backen von Baumkuchen gelernt. Während sich die einen zum Dungeons and Dragons spielen zusammenfanden, saßen andere im „English Bookclub“ und haben ihre gemeinsamen Lektüren gesprochen. Frust beim Actionpainting rauslassen oder die Tiefenentspannung in der Yoga-KüA finden; nichts kam in diesem Teil der Akademie zu kurz. Man konnte für jede Aktivität Teilnehmer finden, die das eigene Interesse teilten.

Mein persönliches Highlight aus dem KüA-Bereich stellte meine selbst angeleitete KüA „Nachtschwimmen im Löschteich“ dar. Nachdem sich bereits einige Tage zuvor eine KüA zum „morgendlichen Plantsch“ gefunden hatte, wurde auch kurz darauf das Nachtschwimmen zum Ritual, sodass wir uns im zweiten Teil der Akademie fast jeden Abend um 23 Uhr am Löschteich trafen, um das Schwimmen unter dem Sternenhimmel zu genießen.

Der einzig fest eingeplante Teil im KüA-Bereich sind die Musikangebote. Angeleitet von einem Musikpädagogen werden bei jeder Schülerakademie ein Akademie-Chor, Akademie-Orchester und verschiedene Bands ins Leben gerufen, die auf freiwilliger Basis mit Aussicht auf das Abschlusskonzert proben. Da ich auch zuhause im Chor singe, habe ich das Angebot sofort wahrgenommen und habe später sogar mit ein paar anderen Mädchen in einer kleinen Acapella-Gruppe performt.

Was nehme ich von dieser Zeit mit und wie geht es jetzt weiter?

Auf „schulischer“ Ebene nehme ich von dieser Zeit sehr viele gute neue, aber auch verbesserte Fähigkeiten mit. In der Schülerakademie herrscht eine sehr ausgeprägte Feedback-Kultur, die einen sehr gut über die eigenen Ergebnisse reflektieren lassen. Auf der einen Seite fand diese Feedback-Kultur Anwendung in der Vortragsreihe und dem akademie-internen Rotationstag, in dem sich die Kursteilnehmer gegenseitig ihre jeweiligen Kursinhalte vorstellten. Ausgiebiges und konstruktives Feedback – unter anderem in 1-zu-1-Gesprächen mit Kursleitenden – halfen mir meinen Vortragsstil zu reflektieren und nachhaltig zu verbessern.

Auf der anderen Seite hat mich das Schreiben wissenschaftlicher Texte für die Dokumentation in Bezug auf meinen Schreibstil und das Verfassen sachlicher Texte ebenfalls positiv beeinflusst. Die Texte durchliefen in der Regel mehrere Korrekturzyklen und Bearbeitungen im Austausch zwischen Teilnehmenden und Kursleitenden, bis ein Text für die Dokumentation abgesegnet wurde und eingefügt werden durfte. Eine stetige Verbesserung des eigenen Schreibstils war somit vorprogrammiert. Eine weitere Bereicherung aus diesem Dokumentation-Schreiben-Abschnitt war definitiv die effektive Arbeit im Team. Schon nach kurzer Zeit waren mein Dokumentationspartner und ich ein eingespieltes Team, was das stundenlange Schreiben am Nachmittag nicht nur erträglich, sondern auch spaßig gemacht hat. Alle positiven Entwicklungen, die sich für mich aus dem Schreiben der Dokumentation mitgenommen habe, würde ich hundertprozentig als gewinnbringend für Studienabsichten erachten.

Während ich diesen Artikel verfasst habe, habe ich mich oft gefragt, wie ich einer außenstehenden Person bestmöglich vermitteln kann, was die Schülerakademie ist und wie ich sie erlebt habe. Und bei der Frage, was von dieser Zeit bleibt, kann ich zwar sagen, dass alle diese Erfahrungen, die ich in den Kursen und kursübergreifenden Aktivitäten besonders wertvoll sind und mich in meinem weiteren Leben durchaus bereichern werden, jedoch ist es letztendlich das, was zwischen den Zeilen steht, was bei mir „hängen bleibt“. Die Kurse hätten nicht interessanter und fordernder sein können, doch die in dieser Gemeinschaft mit Menschen, die genauso für das Thema brennen wie man selbst, auf ein Ziel hinzuarbeiten, lässt auch den kleinsten Wasserfloh unter dem Mikroskop als ein Highlight dieser Zeit verbuchen.

Der exponentiell steigende Kaffee- und Mate-Konsum, ohne welchen mit dem Voranschreiten der Akademie keiner mehr durch den Tag kam, da die Nächte von Tag zu Tag kürzer wurden, wirkt für Außenstehende wie ein Camp, in dem sich die Schüler bis tief in die Nacht hinein abrackern. Doch während der Kaffeepause um 10 Uhr mit der Kaffeetasse in der Hand im Sonnenschein auf dem Vorplatz, hat keiner bereut um Mitternacht noch 2 Stunden lang auf der Tartanbahn zu liegen und die Sterne anzuschauen.

Es sind die Freundschaften und besonderen Momente, die bleiben. Eine Familie, mit so vielen einzigartigen Menschen, zu der man innerhalb dieser 16 Tage zusammengewachsen ist. Somit bin ich einfach nur dankbar, diese Erfahrung gemacht haben zu dürfen.

Wie geht es jetzt weiter?

Natürlich hat meine Schüler-Akademie nicht einfach mit dem Verlassen des Akademie-Geländes geendet. Nach dem Absolvieren einer Schüler-Akademie können alle Teilnehmer auf freiwilliger Basis Teil des „Club der Ehemaligen“ (kurz: CdE) werden. Der CdE organisiert unter anderem jährlich mehrere Akademien mit unterschiedlichen Schwerpunkten für alle Akademie-Absolventen, die nicht genug von der Akademiezeit bekommen können.

Außerdem ist der CdE Initiator zahlreicher Lokalgruppen in nahezu allen großen Universitätsstädten, sodass sich Gleichgesinnte auch im Alltag zu verschiedenen Aktivitäten zusammenfinden können. Insbesondere in Zusammenhang mit meinem Studienstart freue ich mich schon viele neue, aber vielleicht auch schon bekannte Gesichter zu treffen, die eine genauso besondere Erfahrung mit der Schülerakademie gemacht haben. Auf dieser Basis werden mit Sicherheit noch viel mehr neue Freundschaften entstehen und eine kleine Orientierungshilfe in einer neuen Universitätsstadt hat auch noch niemandem geschadet.

Das Zusammenkommen von Akademie-Absolventen ist natürlich nicht nur auf den CdE beschränkt. Noch nicht einmal einen Monat nach Akademie-Ende begannen bereits die ersten Nachtreffen unserer Schülerakademie Grovesmühle. In verschiedenen Dreh- und Angelpunkten Deutschlands treffen sich immer wieder je nach Ort und Anreise Teile unserer Akademie-Familie. Ende Januar findet nun auch ein großes mehrtägiges Nachtreffen statt, sodass wir nach etwa einem halben Jahr endlich wieder mit allen Teilnehmenden zusammenkommen können. Und bei dem Gedanken, alle Menschen, mit denen ich in knapp drei Wochen so besondere Freundschaften aufgebaut habe, wiederzusehen, kann ich es kaum erwarten…

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