Neonazi-Aussteiger Philip Schlaffer zu Gast an der Goetheschule

Was ist der Unterschied zwischen einem Extremisten und einem Radikalen? Was wollen eigentlich Neonazis? Vor allem aber: Wie wird ein 15-Jähriger zum Neonazi und wie schafft er 20 Jahre später den Ausstieg aus der rechtsradikalen Szene? Antwort auf diese Fragen erhielten Goetheschülerinnen und -schüler jetzt tatsächlich aus erster Hand. Philip Schlaffer, einstiger Neonazi und heutiger Deradikalisierungstrainer, war an Wetzlars Oberstufengymnasium zu Gast und erzählte von seinem Leben.

Was ist der Unterschied zwischen einem Extremisten und einem Radikalen? Was wollen eigentlich Neonazis? Vor allem aber: Wie wird ein 15-Jähriger zum Neonazi und wie schafft er 20 Jahre später den Ausstieg aus der rechtsradikalen Szene? Antwort auf diese Fragen erhielten Goetheschülerinnen und -schüler jetzt tatsächlich aus erster Hand. Philip Schlaffer, einstiger Neonazi und heutiger Deradikalisierungstrainer, war an Wetzlars Oberstufengymnasium zu Gast und erzählte von seinem Leben.

Piet Frank, Lehrer für Politik und Wirtschaft an der Goetheschule, hatte die Veranstaltung mit Unterstützung der Friedrich-Naumann-Stiftung organisiert. Insgesamt 300 Schülerinnen und Schüler erfuhren von Schlaffer, der die Anwesenden durch Fragen immer wieder ins Gespräch einband, welche Faktoren zu einer Radikalisierung beitragen können. In seinem Fall war es der Umzug nach England im Alter von zehn Jahren sowie die Rückkehr nach Deutschland vier Jahre später. Gleich zweimal habe er dadurch den Verlust von Kultur, Sprache, vor allem aber von Heimat und Freunden erlebt. Nach seiner Rückkehr nach Deutschland habe er Hass und Ablehnung gegenüber allem empfunden, die sich bald auch in Gewalt ausdrückten. „Hass in Köpfe einzupflanzen ist sehr leicht“, fasste Schlaffer seien eigene Erfahrung zusammen.

Im Umfeld von Nazi-Musik fand er schließlich eine Gemeinschaft, die ihm Wertschätzung entgegen brachte und etwa durch Kleidung auch eine optische Verbundenheit ausdrückte. Allerdings hätte sich diese neue Gruppe von Freunden zunehmend „gegenseitig hochradikalisiert“, erzählte der Aussteiger. Bis zu seinem 18 Lebensjahr habe er bereits 15 Mal vor Gericht gestanden, mit 17 sei er niedergestochen worden, seine Schwester sei mit 16 aus Angst von zuhause ausgezogen, da er selbst die ganze Familie terrorisiert habe, 25 Mal sei Schlaffers Wohnung von der Polizei unter anderem nach Waffen durchsucht worden.

Die Goetheschülerinnen und -schüler erfuhren, wie Schlaffer seine eigene Nazi-Kameradschaft gründete, rechtsradikale Musik produzierte und einen entsprechenden Versandhandel betrieb. Sie erfuhren aber auch, wie Enttäuschung und traumatische Ereignisse, etwa von den eigenen Kameraden überfallen zu werden, oder die Ermordung eines Unschuldigen, zum Ausstieg aus der Nazi-Szene führten. Das bedeutete aber noch nicht die Rückkehr ins gesetzestreue Leben. Schlaffer gründete eine kriminelle Rockerbande, die unter anderem in Prostitution und Drogenhandel verwickelt war und sich teilweise aus ehemaligen Neonazis rekrutierte.

Er erzählte jedoch auch, wie er schließlich an Depressionen litt und sich 20 Jahre nach seiner Radikalisierung wieder an seine Eltern wandte, die bereit waren, ihm beim Ausstieg aus dem kriminellen Leben zu helfen. Zunächst wurde er aber aufgrund seiner Straftaten zu drei Jahren Haft verurteilt, „obwohl ich eigentlich 10 bis 12 Jahre verdient hätte“, wie Schlaffer selbst sagte. Er gab Einblicke in seinen emotionalen Zustand, als er berichtete, wie er beim ersten Besuch seiner Eltern in der Haftanstalt in Tränen ausbrach und sich für sein bisheriges Leben schämte. Erst mit Mitte 30 habe er seine Eltern, die er einst hasste, weil er sie für seine Entwurzelung verantwortlich machte, richtig kennengelernt. Heute sei er sehr eng mit ihnen befreundet. Einen Rückfall in sein einstiges Leben hält er heute für ausgeschlossen, nicht zuletzt aufgrund der Unterstützung seiner Familie, auch seiner Schwester.

Den Schülern gab er mit auf den Weg, sie sollten sich Menschen als Freunde aussuchen, bei denen sie auch schwach sein dürfen und immer an sich selbst glauben. Er selbst habe gelernt zu hassen und erkannt: „Aus diesen negativen Dingen wird nichts Positives entstehen.“

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