Der Fortbestand der Goetheschule, mit 1238 Schülern größtes Oberstufengymnasium Hessens, war mit der Entdeckung erheblicher Baumängel im Herbst fragwürdig geworden. Der Kreis misst dem maroden Gebäude in der Frankfurter Straße eine Lebenserwartung von knapp viereinhalb Jahren bei. Abriss und Neubau und wenn ja, wo und in welcher Form? So lauten seitdem die Fragen. Momentan vergebe der Kreis Aufträge an externe Prüfer für bauliche Standortprüfungen, so Wegricht auf Nachfrage. Kosten, Vorzuge und Nachteile sollen ermittelt, dem Kreistag vorgelegt und in den Schulentwicklungsplan eingearbeitet werden.

Am Donnerstagvormittag fand auf Wunsch von Schulleitern und Staatlichem Schulamt eine gemeinsame Gesprächsrunde statt, berichtete der Kreisschuldezernent. Die Beteiligten hätten sich anschließend beruhigt gezeigt, sagte Wegricht. Sie hätten wohl einen „faulen Kompromiss" erwartet. Dass nun durch externe Prüfer mit offenem Blick ein adäquates Raumkonzept geprüft werde, habe zur Beruhigung beigetragen.

Im Mittelpunkt soll dabei stehen, ob ein Neubau der drei betroffenen Schulen im Schulzentrum an der Frankfurter Straße - neben der Goethe- die Heuss- und Kollwitz-Schule - sinnvoll ist. Belastbare Ergebnisse erwartet Wegricht bis zu den Sommerferien. Dass es auch anschließend eine Goetheschule gibt, sei vom Kreis nie in Frage gestellt worden.

Eine Existenzbedrohung für las Oberstufengymnasium sehen viele Goetheschulvertreter auch in den Plänen, an den bisherigen beiden Gesamtschulen August-Bebel- und Eichendorff-Schule zusätzliche Oberstufen einzurichten. Auch das wird im Auftrag des Kreistags geprüft.

Neben den beruflichen Gymnasien Theodor-Heuss- und Werner-von-SiemensSchule gäbe es dann fünf verschiedene Oberstufen in Wetzlar. Die Goetheschule, so Schulamtsleiter Martin Daus, sähe dann mit automatisch durch Umverteilung sinkenden Schulerzahlen ihr bislang einzigartiges Leistungskursangebot in 18 Fächern vor dem Aus. Es würde halbiert, so die Befürchtungen. Wegricht hält das für unbegründet. Momentan würden jährlich 40 bis 50 Schüler von der Bebel- an die Goetheschule wechseln. Diese solle angesichts von aktuell rund 450 Schülern pro Jahrgang froh über eine Entlastung sein. Auch dem Argument, unter anderem von Daus, dass eine etwa 80 Schüler starke Oberstufe an der Bebel-Schule kein vielfältiges Angebot machen könne, widerspricht Wegricht.  

[...] Klar ist für den Schuldezernenten, dass es keine Zeit zu verlieren gilt. Bei einer Restlebensdauer der Goetheschule von viereinhalb Jahren sei die Zeit für Ausschreibungen und Bau eines neuen Gebäudes knapp. Deshalb müsse spätestens im Sommer entschieden werden.

Goetheschulleiter Grebe hält sich mit Bewertungen in der momentanen Situation zurück: „Vieles ist derzeit im Fluss." Grebes Wünsche an die Zukunft indes sind klar. „Das System Oberstufengymnasium hat sich uneingeschränkt bewährt. Die Ruckmeldungen ehemaliger Schüler bestätigen das nachdrücklich", gab Grebe an.  

Das Fächerangebot sei einmalig und biete Schülerinnen und Schülern im Lahn-Dill-Kreis ein einmaliges Bildungsangebot. Grebe: „Schülerschaft, Kollegium und Eltern sind einig darin, dass dieses Angebot unbedingt erhalten bleiben sollte. Dies ist nur möglich, wenn der bisherige Schulverbund mit den Gesamtschulen aus der Stadt Wetzlar erhalten bleibt." Eine Aufteilung der Oberstufe auf mehrere Schulstandorte bedeute eine erhebliche Einschränkung des Bildungsangebots für die heimische Region. Nicht nur bestimmte Leistungskursangebote - unter anderem Informatik, Spanisch und Physik - könnten nicht mehr aufrecht erhalten werden, sondern auch die heimischen Unternehmen müssten künftig auf dringend benötigte Fachkräfte aus dem heimischen Raum verzichten. Grebe: „Da sich die Gesamtschülerzahl im Landkreis von zirka 30.000 im Jahr 2006 bis 2020 auf rund 24.000 verringern wird, wird das natürlich auch nicht spurlos an der gymnasialen Oberstufe vorübergehen." Die Folgen einer Aufteilung auf mehrere Schulstandorte hätten Einschränkungen des Fächerangebots am jeweiligen Standort zufolge. Das wäre für den Lahn-Dill-Kreis fatal, da attraktive Schulangebote ein wichtiger Standortfaktor seien. Konsequenzen seien ebenso für die übrigen Schulstandorte im Kreisgebiet zu erwarten, da sich Eltern neu orientieren und möglicherweise andere Bildungsangebote als die vor Ort gegebenen anstreben. Eine Vision wäre für Grebe, einen so genannten „Hessen Campus" zu schaffen, in den die beiden beruflichen Schulen Theodor-Heuss, Käthe-Kollwitz und die Goetheschule sowie StudiumPlus integriert wurden. „Das wäre eine zukunftweisende Schulentwicklung“, meint der Schulleiter.